Im Zuge der neuerlich losgetretenen Debatte des UN-Sonderberichterstatters Muñoz um die "Qualität" des deutschen Schulsystems möchte ich hier meine kurze Einschätzung der Situation geben. Basierend auf der Tatsache, dass die Schulzeit in meinem Falle noch nicht so EWIG lang her ist und man mittlerweile "von außen" auf das Schulsystem blicken kann sowie gesellschaftliche Verflechtungen im Studium ökonomisch erklärt bekam, denke ich eine valide Plattform für meine Meinung zu haben
Herr Muñoz kritisiert vor Allem die frühe Aufteilung der Schüler nach der Grundschule (1), den zu hohen Anteil an "Abbrechern" (2) und die zu geringe Zahl an Abiturienten (3). Außerdem empfiehlt er "homeschooling" als eine sinnvolle Alternative (4). All dies wird vor den Hintergrund gestellt, dass Schüler aus einer sozial schwachen Umgebung schlechtere Chancen hätten als solche aus einem sozial stärkeren Umfeld.
Zu (1): Diese frühe Aufteilung macht insofern Sinn, als leistungswillige sich von leistungsunwilligen Trennen. Je früher dies passiert, umso besser ist es für die Gesellschaft. Der Grund liegt in der Förderung von begabten, wissbegierigen, interessierten und vor allem motivierten SchülerInnen. Das deutsche System ist - nach meiner Erfahrung und daher Meinung - zu sehr darauf bedacht eine "Gleichverteilung" von Leistung zu erreichen. Zumindest wurden bei uns immer "gute" Schüler mit "schlechten" Schülern in Klassen und Arbeitsgruppen gemischt, um eine "bessere Verteilung" zu erreichen. Das ist GRUNDFALSCH! Es führt zur Demotivation von "guten" Schülern und nur in den seltensten Fällen (ich habe das NIE erlebt) zur motivation "schlechter" Schüler. Es stellt sich die Frage nach dem WARUM? Die Antwort ist: Weil Deutschland ein Sozialstaat ist, in dem Leistung nur selten anerkannt und gefördert wird. Die Aussage "Was sind schon Eliten, was soll denn das? Wir sitzen doch alle im selben Boot!" habe ich für meinen Teil schon viel zu oft gehört. Eliten sind im Zweifel die, die manche Dinge besser können als andere. Und dann sollen sie das doch bitteschön tun! Das führt zum Wohle aller Beteiligten! Ich würde mir auch nie Anmaßen mich in eine Physikvorlesung zu setzen und zu erwarten, dass ich es genausogut verstehe wie mein physikbegabter Nachbar! Er kann das besser...und ich kann andere Sachen besser. Beispielsweise ein Auto reparieren. Na dann mach ich das doch. So kriegt er sein Auto repariert und verdient genug mit der Physikwissenschaft um die Reparatur damit zu bezahlen - feine Sache, oder? Überspitzt, sicher. Aber da ist ein Fünkchen Wahrheit drin, oder?
Zu (2): Die werden ihre ganz persönlichen Gründe haben, oder nicht? Man schaue sich Hauptschulprüfungen an. Die KANN man bestehen. Aber ohne Motivation dies zu tun, wird das nie funktionieren! Liegt nicht hier das weitaus größere Problem. Woher kommt die "Who cares?" Mentalität? Warum sagen so Viele "Is mir dch egal"? Diese Fragen zu klären wäre wichtiger als zu fragen warum man diese Leute nicht "durchschleift", damit sie irgendeinen Abschluss haben. Denn wer nimmt bitte jemanden mit einem erzwungenen Abschluss???
Zu (3): Dies deckt sich teilweise mit der Erklärung zu (1). Es gibt immer weniger Kinder (Stichwort Geburtenknick), folglich nimmt die Zahl der Schüler und damit die Zahl der Abiturienten ab (bei angenommener gleichbleibender Verteilung zw. Gymnasiasten und Regel-/Hauptschülern). Die Frage, die sich unmittelbar anschließt wurde unter (3) bereits aufgeworfen. Verschiebt sich eben genannte Verteilung, dann liegt das entweder an einer "Verdummung", d.h. die Schüler KÖNNEN nicht mehr aufs Gymnasium, selbst wenn sie wollten weil sie zu "schlecht" sind, ODER sie sind nicht motiviert genug und schaffen deshalb den Sprung ins Gymnasium nicht. Da ersteres nicht wissenschaftlich begründet werden kann und die Evolution (nach Darwin) im Zweifel das Gegenteil bedeuten würde (in einer Zeit, die immer globaler, komplexer, etc. wird) scheidet diese Tendenz meiner Ansicht nach aus. Die Menschen sind heute nicht "dümmer" als noch vor ein paar Jahren. Bleibt der zweite Aspekt und die (offene) Frage, warum die Motivation nicht mehr gegeben ist.
Zu (4): Schließlich fragt sich, inwieweit "homeschooling" die Tendenz der "sozialen Ungerechtigkeit bei der Verteilung von Bildung" aufheben soll. Dazu ein (nicht repräsentatives, von mir konstruiertes Beispiel) Gehen wir davon aus, dass "sozial schwache Umfelder" bedeuten, dass von Familienmitgliedern keine akademischen oder anderweitig "kopfarbeitenden" Tätigkeiten vollführt werden, da diese im Zweifel "gut bezahlt" würden. Sicherlich ist in so einem Umfeld ein "basic schooling" möglich, denn Menschen in handwerklichen Berufen, o.ä. (eben nicht "kopfarbeitend") sind nicht "dümmer" als andere!!!
Dennoch kommt es an einem gewissen Zeitpunkt zum geistigen "überholen" der Eltern durch ihre Kinder, wenn diese zur Schule gehen. Fragt man seine Eltern bspw. wie eine mathematische Operation (z.B. Integration) funktioniert, können einem die wenigsten eine gute Antwort geben. Ähnliches gilt für Fremdsprachen, Biologie, Physik, Chemie, etc. (die BASIS eben). Dieses Wissen brauchen Eltern einfach nicht mehr im Berufsleben und damit können sie es auch nicht wissen. Dies ist in keiner Weise als "schlimm" anzusehen! Im Zweifel jedoch, werden "kopfarbeitende" Eltern eher eine englische Vokalbel parat haben, eine Integration erklären können (das sollte wohl jeder Ingenieur können...), u.s.w. Das bringt wahrscheinlich einfach der Beruf mit sich. Damit stellt sich die Frage, ob die Empfehlung "homeschooling" jene angeprangerten sozialen Differenzen besser überkommen kann als unser Schulsystem.
Ganz am Ende möchte ich nun noch auf einen Artikel verweisen, den ich auf faz.net gefunden habe und den ich für recht gelungen halte:
http://www.faz.net/s/RubFC06D389EE76479E9E76425072B196C3/Doc~E0A69B3A3B96040249079B7DECBF78294~ATpl~Ecommon~Scontent.html
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
3 Kommentare:
Als Erster der deine Stellungnahme kommentiert, kann ich deinen Artikel nach langer Bedenkzeit zusammenfassend mit voller Überzeugung als absoluten Nonsens deklarieren, der nur von arroganten und elitären Grundsätzen geprägt ist.
Schon der erste Satz deiner Erklärung zeugt meiner Meinung nach von völliger Unwissenheit über die tiefgründigen Ursachen der Probleme unserer Gesellschaft.
"...als leistungswillige sich von leistungsunwilligen trennen".
Leistungsunwillig? Warum sind junge Menschen "leistungsunwillig"? Vielleicht, nein, wahrscheinlich, weil sie seit vielen Generationen aus Verhältnissen kommen, in denen zahlreiche Umstände in der Gesellschaft, ihrer Familie – in ihrem Leben – „ungünstig“ waren und sie seit jeher ein alltägliches Umfeld genießen, dass, ich will es sachlich formulieren, dem Erreichen eines brauchbaren Schulabschlusses nicht wirklich dienlich ist? Und das schafft ja auf jeden Fall schon mal „motivierte SchülerInnen“...
Was haben solche Menschen denn für Chancen? Und hat das staatliche Bildungssystem die Aufgabe, aus diesen vermurxten Schicksalen die Akademiker von morgen zu zaubern?
Sollte man nicht eher woanders ansetzen?
Außerdem, wo bleibt in dem Bildungssystem, wie du es gern hättest, die Menschenwürde?
Nach deiner Überzeugung, scheint mir, sind sozial schwache Menschen schlechte Menschen, schlechte Schüler schlechte Menschen! Misst man den Wert eines Menschen an dessen Leistungsfähigkeit? Und wem steht es zu, dies zu „messen“ und zu bewerten?
„Zumindest wurden bei uns immer "gute" Schüler mit "schlechten" Schülern [...] gemischt, [...]. Das ist GRUNDFALSCH! Es führt zur Demotivation von "guten" Schülern“.
Und was machen wir nun mit den schlechten Schülern? Abschieben? Wegsperren?
„Eliten sind im Zweifel die, die manche Dinge besser können als andere. Und dann sollen sie das doch bitteschön tun! Das führt zum Wohle aller Beteiligten“
Aha! Und damit ist den sozial Schwachen in unserer Gesellschaft geholfen? Damit, dass sich die, die sich für die Elite halten, die Tasche voll scheffeln?
Und deine Milchmädchenrechnung von der Gegenseitigkeit des Physikers und des Automechanikers ist auch prima durchdacht. Ich hab übrigens beim Lesen gleich die Lösung für das Problem, das im Originalartikel thematisiert wurde, gefunden: Wenn es in unserer Gesellschaft, bildlich gesehen, nur „Physiker“ und „Automechaniker“ gäbe, *Trommelwirbel*, dann gäbe es ja gar keine sozial Schwachen!
Kurz gesagt: Ist es nicht anmaßend, bei allem nötigen Respekt, dir den nötigen Kenntnisstand zuzuschreiben, um dir herauszunehmen, über ein solches Thema zu referieren und dabei Menschen zu beurteilen, die du nicht kennst, nie kennen lernen wirst und die dich in Wahrheit auch nicht interessieren?
Ich werde versuchen so sachlich wie möglich darauf zu antworten. Sollte mir dies nicht gelingen, bin ich - nach wie vor - immer offen für jegliche Kritik.
1) Was sind denn Deiner Meinung nach die "tiefgründigen Ursachen der Probleme unserer Gesellschaft"? Indem Du mich dafür kritisierst, scheinst Du sie selbst verstanden zu haben. Lass uns gerne darüber austauschen!
2) Zum Thema „leistungsunwillig“ möchte ich gern Folgendes klargestellt haben: Nimmst Du an, dass der Grund für Demotivation „etwas zu leisten“ aus dem Umfeld kommt, d.h. in den Menschen dann eine „Leistungsunwilligkeit“ von Grundauf „gelernt“ ist? Das würde nämlich bedeuten, dass lediglich Kinder aus den deiner Ansicht nach „richtigen“ Verhältnissen „motiviert“ wären! Wie erklärst Du dann erfolgreiche Personen aus der ehemaligen DDR, die zum überwiegenden Teil in Familien aufgewachsen sind die keine Chance hatten „etwas zu leisten“, weil es dafür schlichtweg keine „Gegenleistung“ in Form von wirtschaftlichen Erfolg gab?
3) Deine Bemerkung „Und hat das staatliche Bildungssystem die Aufgabe, aus diesen vermurxten Schicksalen die Akademiker von morgen zu zaubern? Sollte man nicht eher woanders ansetzen?“ muss ich nachfragen, weil ich nicht verstehe was Du mir damit sagen willst? Wo sollte man denn anstetzen?
4) Mir ist eines besonders wichtig: Ich bin NICHT der Auffassung, dass „schwache Menschen schlechte Menschen, schlechte Schüler schlechte Menschen“ sind, wie Du es mir unterstellst! Es ist anmaßend vom „Wert“ eines Menschen zu sprechen! Das haben verschiedenste philosophische Strömungen bereits zur Genüge erfolglos versucht. Sicher erinnerst Du dich an das Beispiel aus dem Religions-/Ethgikunterricht, in dem 5 verschiedene Menschen (ein Hausfrau&Mutter, ein Arzt, ein Atomphysiker, ein Soziologe, etc) auf dem Dach eines niederbrennenden Daches stehen und nicht alle gerettet werden können bevor das Haus zusammenbricht…die Diskussion ist end- und wertlos, da man den Wert eines Menschen GAR NICHT bestimmen und auch keine Relationen bilden kann und sollte!
5) Das Durchmischen von „guten“ und „schlechten“ Schülern halte ich nach wie vor für falsch. Allerdings im Rahmen der Möglichkeiten. Bitte versteh’ es als Anregung für manche Gruppenarbeiten, sicher nicht im allgemeinen Sinne. Dafür gibt es nämlich dann Spezialschulen für besonders Begabte.
6) „Aha! Und damit ist den sozial Schwachen in unserer Gesellschaft geholfen? Damit, dass sich die, die sich für die Elite halten, die Tasche voll scheffeln?“ Ich habe nicht behauptet, dass sich einige die „Taschen voll machen“. Schon gar nicht die, die sich für die Elite halten. Meiner Meinung nach wird wer sich für Elite hält, nie eine sein! Doch finde ich es nur legitim aus einem (legalen) Wissensvorsprung oder der Akzeptanz von Risiken zu der andere nicht bereit sind Kapital zu schlagen. Ein (populistisches) Beispiel dazu: Die Aldi-Gründer sind z.Zt. die reichsten Menschen Deutschlands. Das finde ich okay., denn sie haben sich in ein Risiko gestürzt, dass andere scheuten und eine Idee verwirklicht, die andere verworfen haben. Das hätte brachial scheitern können. Ist es aber nicht. Ihr heutiger Status ist die Entlohnung dafür.
7) Mein Beispiel ist lediglich an die Aussagen von Adam Smith („Adam Smith für Anfänger. Der Wohlstand der Nationen“ oder der Originaltext „The Wealth of Nations“) angelehnt. Es sollte das Prinzip der Arbeitsteilung verdeutlichen, was mir offensichtlich nicht gelungen ist. Ich hoffe meinen Fehler damit behoben zu haben.
8) Die Unterstellung dass mich die Menschen „in Wahrheit auch nicht interessieren“ weise ich hier entschieden zurück. Wenn das so wäre, würde ich dann einen Blog schreiben, der für jedermann sichtbar ist und kontrovers diskutiert werden sollte?
An dieser Stelle möchte ich mich bei Dir für deinen Kommentar bedanken und mich für die etwas verspätete Antwort entschuldigen. Ich hoffe wir können weiter hierüber diskutieren!
Beste Grüße,
Mario
Erstmal ein großes Sorry für meine lange Verzögerung, im Moment habe ich kaum Zeit und habe deinen Blog gerade als Ausrede genutzt, mal eben keine Protokolle zu schreiben, dafür schon mal verbindlichsten Dank...
1) Ich werde mir nicht anmaßen, hier über die "tiefgründigen Ursachen der Probleme unserer Gesellschaft" zu referieren, das wäre meiner Meinung nach ziemlich vermessen.
2) Ja, genau so sehe ich das! "richtige Verhältnisse" aber auch in gesellschaftlicher Hinsicht, nicht nur in familiärer!
Die paar Ausnahmefälle aus der DDR, die erfolgreich waren/sind, können wir, denke ich, statistisch gesehen getrost außen vor lassen.
Woher, glaubst du, kommt denn die Demotivation?
Viele Kinder sind auf die Welt gekommen und keiner wollte sie wirklich haben. Und so werden sie dann auch erzogen und behandelt, ohne jegliche erforderliche
elterliche Unterstützung, einfach lieblos eben. Und deren Kinder? Der Kreis schließt sich.
Außerdem finde ich es grauenvoll, dass alles zu Erwartende, "jegliche
Gegenleistungen nur in Form von wirtschaftlichem Erfolg" gemessen wird!
3) Ich sehe das als allumfassendes, gesellschaftliches und familiäres Problem, es geht ja hier nicht nur um das Bildungssystem. Mit dem Thema sollten wir uns noch weiter befassen. Womit wir wieder beim familiären und täglichen Umfeld wären (siehe 2.)
Woher soll ein Kind, dessen Eltern arbeitslos sind oder für einen Minilohn jobben gehen, die Motivation nehmen, um den Anforderungen der Schule gerecht zu werden (bzw. überhaupt hin zu gehen)? Das Argument "Ich mache alles anders als meine Eltern, ich werde mal eine besser bezahlte Arbeit ausüben, um meinen Lebensstandard zu sichern" scheint mir in den Augen jener Kinder bei einer solchen Ausgangssituation unrealistisch. Woher sollten sie die Kraft nehmen.
4) Ich hatte dir nichts unterstellt, sondern lediglich angefragt.
Hier stimme ich dir zu. Eine solche Diskussion über die "Wertigkeit" eines Menschen ist ohne Frage sinnlos.
5) Warum hälst du das für falsch?
6) Welche Leute halten sich denn für Eliten? Was sind das für Leute? Und warum brauchen die das? Gibt es überhaupt Eliten? Oder sind das nur Leute, die sich dafür halten und die, auf deutsch gesagt, im Grunde ganz arme Schweine sind?
Für mich sind qualifizierte Leute und Eliten etwas verschiedenes!
Meine Frage ist: WAS IST EINE ELITE?
8) Das sehe ich ein, ich entschuldige mich dafür.
Ich bedanke mich ebenfalls über deinen Kommentar und hoffe auf eine Fortsetzung, wenn es mit dem Antworten immer so lang dauert wie bei mir...
Liebe Grüße,
Christian
Kommentar veröffentlichen